weinwandern in weinfelden

Ich bin überrascht, beeindruckt, begeistert. Vom Kanton Thurgau. Absolut empfehlenswert.  Thurgau hat ja ein ein ziemliches Loser-Image. Dort ist nichts los. Stimmt vielleicht, aber es ist bezaubernd schön. Und es hat Weinberge. Letzteres war schlussendlich der Schlüssel, wie ich mich von einer Wanderung in dieser Gegend habe überzeugen lassen. Eine Weinwanderung in Weinfelden. Meine Erwartungen waren nicht sehr hoch, wurden aber um ein Vielfaches übertroffen. Und weil es so schön war, will ich meine Eindrücke mit euch teilen:

Wir starten in Baden, nehmen den Zug und sind 1 Stunde 20 Minuten später in Weinfelden (von Bern dauert es etwas länger (2 Stunden), dafür fährt ein direkter Zug). Im Internet machen wir uns schlau und erfahren auf der Seite von Weinweg Weinfelden, dass es am SBB Schalter einen Weinweg-Rucksack für 19 Franken zu kaufen gibt. Machen wir doch. Chli bünzlig? Mag sein. Aber es lohnt sich. Nicht wegen dem Poncho (den wir zum Glück nicht brauchen), auch nicht weil wir ohne Mineralwasser, Block von der Thugauer Kantonalbank oder Rebkernbrot nicht überlebt hätten. Nein wegen dem Code für den Weinsafe. Code, Weinsafe. Das weckt das Kind (und die Trinkerin) in mir.

Wir laufen also los, durch den härzigen Dorfkern. Wir sind alleine. Während der ganzen Wanderung begegnen wir nur wenigen Menschen. Und das an Auffahrt. Besser so. Item. Wo die Häuser seltener und die Grünflächen grösser werden, beginnt der Weinweg, bei einem Rebberg. Die Wanderung, oder besser gesagt der Spaziergang, dauert ca. 3 Stunden, ist bestens beschildert und sehr easy going (eignet sich somit auch ideal für Familien mit Kindern und Grosseltern). Er führt durch die Rebparzellen des Ottenberg, vorbei an 10 Weingütern, diversen Restaurants und vielen Info-Tafeln (mit Winzer-Portraits, Infos übers Klima, Erklärungen zu den gängigen Traubensorten, etc.).

Das Highlight der Wanderung, der Weinsafe, erreichen wir nach einer guten halben Stunde. Code eingeben, Sesam öffnet sich. Tief aus der Erde befördert ein Lift etwa 20 Weine der 10 Weingüter ans Tageslicht. Selbstbedienung. Im Weinweg-Rucksack versteckte sich neben dem Code auch ein Weinglas. Das durfte 2 x gefüllt werden. Wer begeistert ist von den Weinen und mehr als 2 dl konsumiert, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben. Für solche Fälle steht ein Kässeli bereit. Es kann also sorgenfrei getrunken werden. Eine originelle Idee dieser Weinsafe, und clever umgesetzt. Die Weissweine waren zugegeben eine Prise zu warm und das Weinglas, naja, nicht von Zalto. Aber das macht nichts. Ich finde, die Initianten haben eine gute Möglichkeit geschaffen, die Weine der Region zu präsentieren und dem Wanderer gleichzeitig etwas „Action“ zu bieten.

Weiter gehts. Auf dem Weg bekommen wir neben der fantastischen Reblandschaft, alte Riegelhäuser und liebevoll gepflegte Gärten zu sehen. Macht fast Lust, dort zu wohnen. Abgesehen vom Weinbau ist allgemeine Landwirtschaft ein grosses Thema, was Abwechslung in die Wanderung bringt: saftgrüne Wiesen, viele Apfelbäume, Kühe, Schafe, Eseli, kleine Schweinchen – alles was das Herz begehrt.
Über die Restaurants kann ich nur wenig sagen, viele hatten wegen Auffahrt geschlossen. Was wir beobachteten, waren Gruppen die bei einem Winzer/Landwirt draussen auf einer Festbank, Käse-und Fleischplatten und Wein schlemmten. Einfach, aber sah sehr zufrieden aus. Wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, lohnt es sich, so etwas zu organisieren.
Wer gerne Wein kaufen oder Weinkeller besuchen möchte, sollte den Weinweg an einem Samstag ablaufen. Denn dann haben die meisten Weingüter offen, in der Regel bis 12 oder 14 Uhr. Weintechnisch sind wir an diesem Tag vielleicht etwas zu kurz gekommen und die grossen Weine aus Weinfelden werde ich zu Hause degustieren müssen. Das hat die Freude am Weinweg aber in keinster Weise getrübt. Die Landschaft alleine bietet genug. Es ist fantastisch langweilig. Beeindruckend unspektakulär. In Weinfelden ist die Welt noch in Ordnung. Was für eine Idylle. Und so ruhig. Richtig schön.

Zurück im Dorf, beschliessen wir spontan, nach Kreuzlingen zu fahren. Hallo Disneyworld. Geht nie dorthin, wenn die Sonne scheint. Der Frieden, den wir in Weinfelden gewonnen haben, wäre schnell verflogen gewesen. Zum Glück bestand unser Plan sowieso darin, Kreuzlingen gleich wieder zu verlassen. Mit dem Schiff.
So zog es uns über den Bodensee in den Rhein. Und es folgte das nächste Wow-Erlebnis. Ich bin in der Schweiz noch nie auf einem Fluss gefahren. Wiederum hübsche, wenn auch nicht namhafte, Dörfer. Viel grüne Fläche, fast ein bisschen Urwald-Feeling. Die Sonne geht langsam unter. Nach vier Stunden schönster Fahrt kommen wir in Schaffhausen an.  Wir hätten noch Essen gehen und/oder die Stadt besichtigen können, aber wir waren zu müde. Zu zufrieden.

Das war in meinen Augen ein perfekter Tag. Einfach irgendwie etwas Spezielles. Die Begleitung spielte dabei sicher auch eine entscheidende Rolle.

Schnappt euch eure Liebsten und fahrt in den Thurgau!

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