Mir gefällt die traditionelle Art und Weise, eine Flasche Wein zu öffnen. Kapsel wegnehmen, Zapfenzieher ansetzen, das Geräusch, wenn sich die Spindel in den Zapfen bohrt, der Zapfen langsam herausziehen. Am Zapfen riechen. Es ist ein schönes Ritual. In diesem Moment richtet sich das Augenmerk auf den Wein. Er geniesst die volle Aufmerksamkeit. Zweifelsohne eine ehrwürdige, stilvolle Angelegenheit.
Mit Qualität hat sie aber nichts zu tun.
„Deckeliwy“ – das sind billige und schlechte Weine. Dieses Vorurteil sitzt leider tief in unseren Köpfen. Unberechtigt berechtigt. Kann sein, dass es früher so war. Heute weht ein anderer Wind. Drehverschlüsse haben eine Daseinsberechtigung. Und einen geachteten Platz in unserer Gesellschaft verdient.
Abgesehen vom schnellen Öffnen, bietet der Schraubverschluss weitere Vorteile. Zum Beispiel bei Weinen, die jung getrunken werden sollen. Viele Weine, insbesondere Weissweine, sind nach ihrer Abfüllung bereits trinkreif. Sie leben von ihrer Frische und Frucht, müssen sich nicht mehr entwickeln und entsprechend auch nicht gelagert werden. Wofür also mit Zapfen versehen?
Bei lagerfähigen Weinen, kann ein Drehverschluss ebenfalls dienen. Die Entwicklung eines Weines hängt nämlich nicht nur von der Sauerstoffzufuhr ab. Der Zaubersaft kann sich auch ohne äussere Einflüsse verändern, sofern man ihm die Zeit dafür gibt. Vorteil vom Drehverschluss, man kann dem Wein viel Zeit geben, ohne dabei Angst haben zu müssen, dass er plötzlich hinüber ist, zu alt. Diverse (nicht repräsentative) Tests haben gezeigt, dass Weine mit Drehverschluss langsamer altern wie Weine mit einem Korkverschluss und sich dadurch auch nach Jahren frisch und lebendig präsentieren.
Der grösste Nutzen eines Drehverschlusses ist aber mit Sicherheit das nicht* vorhandene „Zapfen“-Risiko. Das ist der häufigste Grund, warum sich Winzer gegen Naturkorken entscheiden. Und viele Trinker danken ihm dafür, vor allem wenns ums Probieren geht.
Warum also überhaupt noch Korken? Die Kultur ist sicher der wichtigste Faktor. Es ist schlichtweg eine Philosophiefrage. Sagen Sie einem französischen Bordeaux-Winzer, er soll seine Flaschen mit Drehverschluss versehen. Keine Chance. Ehrensache.
Die neue Welt hingegen, zum Beispiel Australien und Neuseeland, wenden kaum noch etwas anderes an. Auch hochpreisige Weine werden bei ihnen mit einem Drehverschluss bestückt.
Ein weiterer Grund, warum sich ein Winzer für Kork entscheidet, ist das Altern und Verändern vom Wein. Naturkorken lassen die Weine atmen, lassen Sauerstoff in die Flasche. Gewisse Weine können dadurch komplexe Strukturen und Aromen entwickeln. Aus Beeren werden Pilze. Undsoweiter. !Wenn sie denn das Potential dazu haben. Und der Konsument weiss, wie lagern und wann trinken!
Eine Alternative zum Naturkorken ist übrigens der Diam-Zapfen. Hierfür wird ein Naturkorken gemahlen, gereinigt und mit einem Bindemittel wieder zu einem kompakten Zapfen zusammengepresst – ein hochkomplexer Prozess. Der Winzer trägt kein „Zapfen“-Risiko und der Konsument geniesst nach wie vor sein Ritual. Ein gangbarer Weg.
Fazit: Ob Drehverschluss oder Naturkorken ist primär eine emotionale Angelegenheit. Weine mit Drehverschluss können mit Freude und gutem Gewissen gekauft, verschenkt und getrunken werden. Sie dürfen sogar teuer sein. Meine persönliche Philosophie lautet, dort wo sinnvoll „neue Technologien“ (also Drehverschluss) einsetzen, ohne dabei die traditionelle Methode (Zapfen) komplett zu verdrängen.
PS: Wenn wir beim Thema Verschluss sind, verliere ich noch zwei Sätze über Zapfenzieher. Die one & only ist der ganz normale, sogenannte Kellnermesser. Gekauft habe ich noch nie einen, gibt es glücklicherweise oft als Werbegeschenk. Wichtig, Doppelheber, sonst könnte es mühsam werden. Haltet euch weit fern von Flügelkorkenzieher und dergleichen. Ausnahmslos.
* Weine mit Drehverschluss können anscheinend auch Zapfen haben. Das kommt aber sehr selten vor und wird deshalb in diesem Blogbeitrag vernachlässigt.
[…] und nötig ist. Deshalb plädiere ich für ein einziges Weinglas, habe rein gar nichts gegen Drehverschlüsse und äbä, finde die Kellerthematik mässig wichtig. Was nicht bedeutet, dass ihr eure Weine […]
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