Wer mehr als zwei Blogbeiträge von mir gelesen hat, weiss, wie heiss ich Schweizer Weine liebe. Da ich also immer wieder über Schweizer Weinregionen, Weingüter und Weine schreibe, wäre es vielleicht sinnvoll, auch einmal etwas über das Weinland Schweiz zu erzählen. Einfach ein paar Basis-Informationen, die euch einen groben Überblick verschaffen sollen. Und wenn wir schon dabei sind, kommentiere ich noch so gerne auch gleich das (Konsum)Verhalten der Schweizer gegenüber einheimischen Weinen.
Auso. In der Weinwelt wird die Schweiz in sechs Regionen unterteilt: Genf, Waadt, Wallis, Tessin, Dreiseenregion und Deutschschweiz (ja, ein grosser Teil der Schweiz wird in einen Topf geschmissen und als eine einzige Region gezählt, Mobbing?). Insgesamt sind 14’780 Hektaren Rebland zu finden, wovon über 50% im Wallis und Waadt liegen (ok, kein Mobbing, einfach eine Minderheit). Pro Jahr werden rund 108 Mio. Liter Wein produziert, welche vorwiegend in der Schweiz konsumiert werden (und das deckt gerade einmal 43 % des Gesamtkonsums).
Unsere Rebsortenvielfalt ist einmalig, 240 verschiedene Sorten werden angebaut. Die beliebteste Weissweinsorte ist nach wie vor Chasselas (Genf, Waadt, Wallis und Dreiseenregion lassen grüssen). In der Deutschschweiz liegt Riesling-Sylvaner (Müller Thurgau) auf dem ersten Platz. Beim Rotwein ist Pinot Noir der absolute Klassiker. Eine Ausnahme bilden die Tessiner, sie hegen und pflegen mit viel Liebe und Stolz die Merlot Traube, sowohl in roter wie auch in weisser Ausführung. Richtig interessant wird es aber, wenn wir zu den autochthonen Traubensorten kommen, auch hier sind wir nämlich gut bestückt: Petite Arvine, Cornalin, Humagne Rouge, Humagne Blanche, Amigne, Completer, Bondola, Freiburger und Räuschling – das sind alles Schweizer Babies. Beeindruckend oder? Ich finde es jedenfalls faszinierend.
Seit ich mich mit Schweizer Wein befasse, höre ich immer wieder Sprüche wie: „Guten Schweizer Wein findet man höchstens im Wallis“, „Schweizer Rotweine schmecken wie Essig“, „Schweizer Wein kann in keinem Fall auf internationalem Niveau mithalten“. Ich bin grundsätzlich ein offener Mensch und akzeptiere andere Meinungen (manchmal), aber solche Aussagen nerven mich. Und zwar weil Unwissen dahinter steckt.
Die Schweiz hat im Weinbereich offensichtlich ein kleines Image und ein grosses Bekanntheitsproblem. Es ist ja nicht so, dass die Schweizer Bevölkerung nicht gerne einheimische Produkte konsumiert. Die Schweiz hat viele gute Lebensmittel wie Milch, Käse, Schoggi, Erdbeeri, Aprikosen, Fleisch, Brot, sogar Bier. Erfreulicherweise kauft der Konsument heute auch viel bewusster ein und greift somit schnell einmal zum lokalen Produkt. Aber Hand aufs Herz, wie sieht es beim Wein aus?
Irgendwie sind wir beim Wein noch nicht soweit wie zum Beispiel beim Bier. Dort schiessen die Craft Brauereien wie Pilze aus dem Boden. Immer mehr Bars schenken regionales Bier aus und Detailhändler haben verschiedenste Schweizer Brands im Sortiment. Warum das beim Wein nicht so ist, ist schwierig zu sagen. Da gibt es sicher diverse Gründe. Ich kann nur mutmassen, was ich gerne mache:
- Erinnerung: Schweizer (Rot)Wein war früher wirklich oft relativ säurebetont (habe ich mir sagen lassen). Zum einen war das Klima kühler, zum anderen hatten die Winzer damals eine andere Philosophie. In der Perfektion war ein Wein einfach, süffig, hatte wenig Körper und noch etwas CO2. Heute haben sich die Meinungen und somit der Unterrichtsstoff verändert. Zudem lernen Winzer nicht mehr nur in der Schweiz, sie gehen in die weite Welt und kommen mit neuen Ideen nach Hause. Sie sind mutig, haben keine Angst davor, individuelle Weine zu machen. Die neue Generation hat den Anspruch, Spitzenwein und nicht nur einfachen Tischwein zu keltern. Sie glauben an sich und ihr Terroir. Gut so. Sie machen wirklich einen hervorragenden Job.
- Verfügbarkeit: Schweizer Weine werden meistens in kleinen Mengen produziert. Das bedeutet, sie sind nicht unbedingt im Coop oder Denner vertreten. Nur einige grosse Weingüter und vereinzelt Kleinere kommen in die Regale der Grossverteiler. Viele wollen das auch gar nicht. Deswegen sind die wirklich spannenden Weine vorwiegend in einer Weinhandlung oder natürlich direkt beim Winzer zu finden.
- Preis: Schweizer Weine sind teurer als ihre Kollegen aus dem Ausland. Für 20 Franken bekommt man einen sehr guten Wein aus Spanien. Für 20 Franken bekommt man aber „nur“ einen einfachen Schweizer Rotwein. Erstaunt euch das? Die Schweizer Erdbeeri, Spargeln und Aprikosen kosten ja auch das Doppelte wie ihre italienischen Doubles. Ich predige nicht gerne und ich bin weissgott keine Öko-Tante. Aber wie kann es sein, dass jemand all seine Lebensmittel bio und aus der Region kauft, dann aber nonstop Wein aus Südamerika und Australien trinkt?
Ob und wie Schweizer Wein getrunken wird, liegt in unserer Hand. Die meisten der genannten Punkte können wir durch unser Verhalten beeinflussen. Erst wenn wir im Restaurant öfter nach Schweizer Wein fragen, im Geschäft mehr davon kaufen und bei einem schönen Essen mit Freunden einen Schweizer Spitzenwein auftischen, erst dann wird der Wein auch die Anerkennung bekommen, die er verdient hat.
Ich will übrigens nicht verallgemeinern. Die Walliser zum Beispiel, trinken fast nur und ausschliesslich Weine aus dem Wallis. Die Tessiner sind ihren Produzenten auch mehrheitlich treu.
Mir ist bewusst, dass es schlussendlich auch Geschmacksache ist. Wer gerne kräftige, tanninbetonte Weine hat, wird in der Schweiz seltener fündig. Und ich meine auch, man muss nicht nur noch regionale Weine trinken. Das einzige, was ich euch ans Herz legen möchte: seid offen, nehmt Schweizer Weingüter wahr und kauft Wein bewusst und ohne Vorurteile ein.
Das Resultat wird viel Liebe für Schweizer Wein sein, versprochen.