genf & wein

Was tun, wenn das Wetter mässig ist und das Wochenende ein Hit werden soll? Nach Genf reisen. Wirklich? Naja, es gibt bessere Alternativen, aber es ist eine Option. Habe ich gemacht. Das Rüebli, welches mich nach Genf lockte, war die Weinbauregion. Neben dem Wallis und Waadt die Grösste in der Schweiz. Und was für Säfte und Orte kenne ich aus und in Genf? Keine. Darum ging es letztes Wochenende nach Genf.

Die Weinregion Genf beherbergt rund 1’435 ha Rebfläche, daraus resultieren 10% der nationalen Weinproduktion. Beim Rotwein setzen sie vor allem auf Gamay, gefolgt von Pinot Noir und Gamaret. Im weissen Bereich leben sie, wie ihre Nachbaren, primär für Chasselas. Wobei zu bemerken ist, dass Sorten wie Chardonnay, Pinot Gris & Blanc, Sauvignon Blanc und Aligoté an Wichtigkeit gewinnen (und meines Erachtens auch qualitativ mehr hergeben – aber da spricht vielleicht die Chasselas-Abneigung in mir).

In Genf Wein trinken ist einfach. Genfer Wein trinken gestaltet sich schwieriger. Die Beizer sind zwar loyaler wie ihre Deutschschweizer Kollegen, interpretieren „regional“ aber auch gerne als „Genfersee“, ergo Wein aus dem Lavaux. Auf einer Offenweinkarte finde ich zwar fast überall einen Wein aus Genf, oft aber „nur“ einen einfachen Chasselas.
Ein charaktervoller Pinot Gris von Domaine des Balisiers begegnet mir in der Atrium Bar vom Beau Rivage. Den gleichen Wein gibt es am Abend auch im Restaurant Chez Philippe, zum halben Preis. Das Chez Philippe habe ich übrigens wegen der Weinkarte ausgewählt, himmlisch und vorbildlich. Schade, sind wir nur zu zweit und können uns nicht durch die ganze Karte trinken. Wir entscheiden uns für den Gamaret von Clos des Pins, ein Mémoire des Vins Suisses Wein. Der erste Schluck begeistert, irgendwann verleidet aber der intensive, dichte Himbeergeschmack. Für vier Personen hätte er gut gepasst und am Wein habe ich grundsätzlich nichts auszusetzen. Er ist einfach zu jung (2015). Sind sie meistens.

Am nächsten Tag will ich endlich Reben sehen. Das ist etwas komisch an Genf, ein grosser Rebkanton, ohne Reben. Sie sind da, aber nicht sichtbar. Als wäre es etwas, das versteckt werden muss.
Unser Ziel: Satigny. Warum? Weil es die grösste Weinbaugemeinde der Schweiz ist. Spaziertechnisch habe ich mich mässig gut informiert, wo Reben sind, gibt es normalerweise auch Wege. Im Zug versuche ich noch herauszufinden, was für schöne Strassen von Satigny wegführen. Ohne grossen Erfolg, das Netz spuckt nichts aus. Also beschliessen wir, zum Nachbardorf Dardagny (ebenfalls eine berühmt berüchtigte Winzeroase) zu laufen. In Satigny angekommen, entdecken wir, nichts. Doch, ein schönes Schulhaus. Highlight. Wir spazieren den Hügel hoch und hie und da sichten wir ein paar Rebparzellen. Betonung auf ein paar, wenige. Vielleicht vermehren sie sich ja auf dem Weg nach Dardagny.
Die Wanderung nach Dardagny lässt sich kurz zusammenfassen: wir landen an einem Fluss im Wald, irren herum, verlieren ab und zu den Weg, bis wir uns in einem kaputten, unheimlichen Campingplatz wiederfinden – der perfekte Drehort für einen Psychothriller. Die Zeit wird knapp, der Bus ab Dardagny fährt nur im 2-Stundentakt. Endlich kommen wir in Dardagny an. Dazwischen noch zwei Rebberge gesehen, immerhin. Und unterwegs, in Malval ein hübsches Landrestaurant gesichtet.
Dardagny hat definitiv mehr Charme wie Satigny, glänzt aber auch nicht unbedingt. Wäre ich noch einmal dort, würde ich in die Auberge de Dardagny essen gehen. Sieht gut und gemütlich aus. Und ist auch die einzige Beiz im Dorf. Der Bus ruft. Bus ist übertrieben, ein grösseres Auto mit ca. 6 Plätzen fährt vor.
Wir haben mit der Weinbauregion schon fast abgeschlossen, bis uns die Busfahrt von Dardagny nach Satigny eine ganz neue Seite von Genf zeigt. Da es der einzige Bus in der Gegend ist, fährt er jede noch so kleine Strasse ab. Unser Glück. Endlich bekommen wir die riesengrossen Rebflächen zu sehen, sie scheinen fast unendlich zu sein. Wirklich schön. Sozusagen ein verborgener Schatz.
Offensichtlich haben wir uns für den falschen Weg entschieden gehabt. Darum mein Tipp, wenn ihr in dieser Gegend laufen gehen wollt, am besten von Satigny über Peissy nach Dardagny marschieren (und nicht „direkt“ von Satigny nach Dardagny). Auf dieser Route könnt ihr in Reben schwimmen.

Ich habe Genf gegenüber ambivalente Gefühle. Die Stadt ist nett, es hat ein paar schöne Locations und die Weine sind auch gut. Aber die lieben Genfer machen nichts daraus. Die Bars sind leer und die Weinlandschaft unbekannt. Wie soll sie auch jemand kennen? Hallo Tourismusverantwortliche? Ich meine, Satigny liegt keine 10 Minuten von Genf entfernt. Da müsste man doch schmucke Weinwanderwege, Weinbeizen, usw. schaffen. Das Potential wäre vorhanden, mais…

Also schwingen wir uns auf das Schiff und schaukeln los in Richtung Lausanne. Der Jet d’Eau winkt zum Abschied und ich stelle mir vor, wie er literweise interessanten Wein in den Genfersee spritzt. Und niemand bemerkt es.

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Downtown

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Dardagny

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Ein verlassenes Dorf mit einer Buchhandlung

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Da, ganz hinten: Reben

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Brunch, Apéro oder Essen: Brasserie les Halles de l’île

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Flohmarkt

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Restaurant Le Bateau Genève