„wir haben wein mitgebracht“

Wein oder Blumen. Nach wie vor ein Klassiker wenn man zu Besuch ist. Wo die Blumen hingehören ist klar. Aber was machen mit dem Wein? Als mir vor einiger Zeit diese Frage gestellt wurde, kam meine Antwort schnell und war eindeutig: „In den Keller stellen und irgendwann trinken.“
Letzte Woche tauchte dieses Thema im Gespräch mit einem Freund erneut auf. Er war sich früher auch unsicher, bis ihm zwei stilvolle Italiener, die wissen was sich gehört, bestimmt erklärten: „Den Wein musst du in jedem Fall am gleichen Abend öffnen, wenn nicht beleidigst du deine Gäste.“ Seither handhabt der Freund es immer so und fährt seiner Aussage nach sehr gut damit.

Gut. Da ich mich von Italiener auch gerne beeindrucken lasse und es doch ab und zu vorkommt, dass ich mein Wissen hinterfrage, beschloss ich, diesem Thema mehr Beachtung zu schenken. So startete ich kurzerhand eine kleine aber sehr representative Umfrage (die Befragten waren ausschliesslich Männer, allesamt Weinliebhaber, zwischen 35 und 65). Was dabei herauskam war interessant, wenn auch nicht eindeutig.

Nach einer sauberen Auswertung, gefolgt von einer intensiven Denkphase, komme ich zum Schluss, dass es nicht EINE richtige Antwort gibt. Zwei Faktoren nehmen einen wichtigen Einfluss: Alter und Weinaffinität, sowohl vom Gastgeber wie auch vom Gast.
Warum? Ältere Menschen machen es, wie man es früher gemacht hat. Der Wein ist ein Geschenk und wird somit nicht am gleichen Abend geöffnet. Jüngere Personen sehen das weniger eng und sind eine Spur flexibler. Vielleicht sind sie sogar froh, wenn jemand Wein bringt.
Und was hat die Weinaffinität damit zu tun? Wenn ich ein Abendessen organisiere, dann weiss ich genau, welchen Wein ich zu welchem Teller servieren will. Deshalb werde und würde ich niemals eine mitgebrachte Flasche Wein kredenzen.
Natürlich gibt es aber auch Gastgeber, die sich nicht gross mit Wein befassen und es begrüssen, wenn der Besuch Wein mitbringt und dieser gleich getrunken werden kann. Es nimmt ihnen den Druck und schont ihren nicht vorhandenen Weinkeller.

Und, was ist jetzt die korrekte Handhabung? Ich empfehle:

Wenn ihr Gast seid, und gerne einen Wein mitbringen (und den auch trinken) würdet, dann kommuniziert das im Vorfeld: „Wir bringen eine Flasche Wein mit, passt das?“ Schleust ihr ohne Ankündigung eine Flasche ein, müsst ihr damit rechnen, dass sie nicht getrunken wird. Falls dem so ist, dürft ihr gerne hinzufügen, wo ihr den Wein gekauft habt oder was euch damit verbindet – sofern das überhaupt erwähnenswert ist. Den Preis zu nennen ist ein No-Go.

Wenn ihr Gastgeber seidund der Besuch einen Wein mitbringt, den ihr  nicht unbedingt öffnen wollt – sei es, weil ihr schon ein Weinmenu habt oder der mitgebrachte Wein grusig ist – dann erklärt ihr euch mit: „Es gibt Rindsfilet und ich habe eigentlich schon einen Wein dafür vorgesehen. Wenn ihr möchtet, können wir aber auch den Wein von euch dazu trinken?“ Die Antwort wird hoffentlich Nein sein. Wenn nicht, müsst ihr die Gäste kein weiteres Mal einladen.
Falls ihr hingegen froh um das Mitbringsel seid, lautet die Antwort: „Super, vielen Dank. Den können wir doch gleich heute Abend trinken.“

Wenn ihr euch fürs Merci und in den Keller stellen entscheidet, dann ist es nett und wertschätzend, wenn ihr nach dem Verzehr eine Rückmeldung gebt. Das kann in Form eines kurzen SMS oder einer Bemerkung beim nächsten Wiedersehen sein.

Also, die Zeiten des sturen Knigges sind vorbei. Kommunikation ist die Lösung.

Und wenn ich euch noch etwas auf den Weg geben darf. Bringt nie einen 5-Franken-Wein mit, dann lieber mit guter Laune und schöner Kleidung auftauchen.